Wo Milch und Honig fließen

C Pam Zhang

Wo Milch und Honig fließen

 

Der Roman beginnt in einer fernen Zukunft, die im weitesten Sinne postapokalyptische Züge trägt. 

Die Menschheit wird durch eine Naturkatastrophe globalen Ausmaßes eingeholt. Die Klimakatastrophe ist eingetreten: Die Erde ist von einem rätselhaften Smog heimgesucht worden, der „die Sonne verfinsterte und den Weizen in der kanadischen Prärie ebenso erstickte wie den harten gelben Reis auf den Feldern Perus.“ (S. 9)

Die Böden sind unfruchtbar, Pflanzen und Tiere sind weitestgehend verseucht und vernichtet. Eine Hungersnot beherrscht Amerika und Südostasien. Der Smog erreicht Europa anderthalb Jahre später. In diesem Szenario macht sich eine namenlose Köchin auf den Weg nach Europa. Ihr Ziel ist eine Kolonie einer »Spitzenforschungsgemeinschaft« an einem geheimen Ort auf einem italienischen Berggipfel. Hoch oben am Gipfel breitet sich eine Idylle mit blauem Himmel, klarer Luft und Licht aus. Die Sonne steht im Kontrast zum Smog. Dort existieren noch frische Erdbeeren, Gemüse, das Fleisch längst ausgestorbener Tierarten, die in unterirdischen Laboren gezüchtet werden. Eine dekadente Gesellschaft kommt zusammen, um diese Köstlichkeiten zu genießen. Jedoch wird schnell klar, dass die vermeintliche Idylle dieser Berg-Enklave trügt. Der Anführer dieser Gesellschaft der Superreichen ist ein Tyrann, ein selbstherrlicher Mensch, der möglichst viele reiche Investoren für sein Biodiversitätsprojekt gewinnen will. Die Aufgabe der Köchin ist nicht nur zu kochen, sondern auch in die Rolle einer anderen Person zu schlüpfen für dieses abgekartete Spiel. 

 

Sie lernt seine Tochter, eine Forscherin und Genetikerin, kennen, freundet sich mit ihr an und gelangt so in die verborgenen Räume im Inneren des Berges.

 

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive der namenlosen Köchin erzählt. Mit wenigen Worten und Sätzen porträtiert die Autorin C Pam Zhang die Ich-Erzählerin. Sie ist alt, „als mein Leben schon vorbei ist“. Im Hörsaal trifft sie auf eine junge Frau, höchstens „achtzehn oder neunzehn“, deren Aussehen zwar jung, aber ihre innere Haltung gegensätzlich zu ihrer Jugend steht. Sie interessiert sich für die Köchin und das löst bei der Ich-Erzählerin schmerzliche Erinnerungen aus, die sie an einem Ort, den es nicht mehr gibt, erlebt hat. 

 

C Pam Zhang kreiert ihren Roman als Fest für die Sinne. Exotische Tiere, aus den unterirdischen Laboren gezüchtet, werden zubereitet und in dem Luxusrestaurant auf dem Berg verschlungen. 

 

Die Autorin stellt sehr eindrucksvoll zwei Welten gegenüber. Die Reichen, die im Licht der Sonne leben und die Armen die Sonne nur noch erahnen können. Deutlich werden die Gegensätze im Essen dargestellt. Der Überfluss auf dem Berg für die Einflussreichen, für eine Bevölkerung, die mächtig ist. Im Gegensatz dazu muss das Volk hungern. Es herrscht eine dystopische Weltuntergangsstimmung. Im Laufe der Erzählung werden immer wieder Einschübe aus dem Leben der beiden Frauen ersichtlich. Dadurch wird die Erzählstruktur sehr abwechslungsreich. Ernste und amüsante Dialoge lockern auf und immer tiefer dringen wir in ein surreales Geflecht von Machenschaften. 

Das Essen wird zelebriert in seitenlangen Sätzen mit einer unglaublichen Opulenz, bildlicher, sehr sinnlich wirkender Sprache. Im Kontrast werden die sehr realistischen und abgefahrenen Machenschaften aufgezeigt. 

 

Essen spielt eine wichtige zentrale Rolle in diesem System, denn ohne Nahrung überlebt der Mensch nicht. 

 

„Sicherlich verstehen Sie, welchen Nutzen Saavedra Saatgutbank bieten kann. (S. 93)

 

Die Suche und Erprobung nach neuen Nahrungsmitteln verspricht viel Geld und somit Reichtum.

 

„Sie können gerne auf Ihre Portion des sibirischen Mammuts verzichten, auf das unsere Mitarbeiter durch einen glücklichen Zufall bei der Ausgrabung von Saavedra Saatgutbank gestoßen sind.“ 

(S. 96) 

 

Die in Peking geborene Amerikanerin C Pam Zhang spricht in ihrem neuen Roman viele Genres, viele aktuelle Themen an. Gesellschaftskritik, Religion und Politik spart sie nicht aus, ethische und soziologische Fragen stellt sie im Raum. 

Dazu verarbeitet sie eine exzentrische Liebesgeschichte zwischen Aida und der Ich-Erzählerin, die sie durch ausgefallene Farbschilderungen mit Essen und Sex verbindet. 

 

C Pam Zhang inszeniert ihren Roman üppig auf allen Ebenen. Die Sprache ist facettenreich, die Symbolik überspannt alle Bereiche. Es entstehen Spannungsbögen mit Gegensatzpaaren, Licht und Schatten wechseln sich ab mit Üppigkeit und Kargheit. Extravagante Lebensmittel erzeugen ein Fest der Sinne zwischen Hunger und Appetitlosigkeit. 

Oftmals bekommt man das Gefühl, im Irrgarten zu sein. Doch es gibt immer wieder neue Wege heraus in eine andere Richtung. Am Ende bleiben Fragen offen, die nur der/die Leser:in beantworten kann. Wie weit ist der Mensch bereit, sein eigenes Leben zu retten, um zu überleben? Zählen Privilegien dazu?

 

Mit "Wo Milch und Honig fließen" hat C Pam Zhang einen Roman geschrieben, der mit unfassbaren, hochaktuellen Themen aufwartet.

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