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Aus den Papieren eines Wärters

Aus den Papieren eines Wärters

 

Aus den Papieren eines Wärters ist die letzte Geschichte aus dem gleichnamigen Band.

 

Auch in dieser letzten Geschichte, die letztendlich auch die Geschichte „Die Stadt“ als Fortsetzung enthält, zeichnet sich das Böse ab. Dürrenmatt nimmt das Thema Hölle auf Erden weiter auf. 

 

Beide Erzählungen Die Stadt und Aus den Papieren eines Wärters sind weitgehend identisch. Sie haben dasselbe Thema, wobei der Fokus der Erzählung  Abweichungen in einigen Details erkennen läßt. Hinzu kommt, dass die Erzählung Aus den Papieren eines Wärters länger ist. Beide Geschichten beginnen mit der Beschreibung der Stadt und in beiden Erzählungen ist der Protagonist ein Ich-Erzähler, der am Rande der Stadt lebt.  

 

Des Weiteren beschränke ich mich auf die Erzählung Aus den Papieren eines Wärters.

 

Das Höhlengleichnis oder die Hölle auf Erden

 

Dürenmatt hat als Hauptthema in der Erzählung Aus den Papieren eines Wärters Hölle und Teufel verarbeitet. 

 

Die Hölle entsteht aus alltäglichen von der Verwaltung geschaffenen Lebensbedingungen. „»Die Verwaltung hat dafür gesorgt, dass es keine Chance gibt, und verwandelt die Welt in einen Termitenhaufen.«“ (S. 167 f.) Dürrenmatt lässt seinen Protagonisten als ehemaligen Soldaten auftreten, der den Krieg als Hölle erlebt hat. „Der Krieg ist kein Abenteuer, wie man sich das so von seinem Bett aus träumt, sondern eine Hölle.“ (S. 168) Er reagiert damit auf den Einwand des Verwalters, der ihm sagt, dass die Verwaltung einige Male versucht hatte, ihn zurückzuziehen, er aber nicht wollte. Das bedeutet, dass die Verwaltung gute Absichten hat und indirekt damit das Böse verkörpert, der Krieg als Abenteuer. 

„Aber sie kennen den Krieg nicht, und so ist jetzt Ihr Schluss falsch. Der Krieg ist eine Hölle, aber wenigstens eine ehrliche. Es lohnt sich noch, in ihm um Leben zu kämpfen, und insofern ist er ein Abenteuer, da sollten sie recht haben. Die Verwaltung dagegen hat eine entsetzlichere Hölle aufgebaut, als es je ein Krieg war, die Hölle ist Alltäglichkeit.“

(S. 169)

Weiter: “»Wir leisten uns allerdings nur noch ein Konzentrationslager, in dessen Gaskammern wir durch Langeweile umkommen.«“ (S. 170)

“»Und in dieses graue Meer des Alltags soll ich nun springen?«“ (S. 174)

 

Die Hölle als: Termitenhaufen, graues Meer des Alltags, Hölle der Alltäglichkeiten sowie als Konzentrationslager mit Gaskammern, in den man vor Langeweile umkommt. Der Krieg als Hölle. 

Dürrenmatt lässt erkennen, dass die Stadt eine Hölle ist. Aus dem lateinischen „Polis“ abgeleitet, kann er damit auch Stadt und Staat meinen. In Turmbau schreibt Dürrenmatt: „Platons Politieia ist Dantes Hölle“ (S. 28)

 

Dürrenmatt stellt die Frage, warum die Menschen sich einer unmenschlichen Herrschaft unterordnen.  Ist es Macht? Gehorsam?

 

Der Söldner wechselt von der Opferseite auf die Täterseite. Das bedeutet er bekommt Macht und kann Gewalt ausüben.  Das machen die nächsten Sätze klar, in dem der Protagonist die Gewalt und das Verbrechen als einzige Alternative sieht und damit den einzigen Sinn. 

 

„In dieser Welt hatte nur noch das Verbrechen einen Sinn. (S. 165) und „Dann kann der Einzelne frei sein, wenn er zum Verbrecher wird“ (S. 176) 

Schon zu Beginn spricht der Protagonist davon „die Wirklichkeit der Stadt darzustellen, ihre tatsächliche Realität und ihr tägliches Antlitz“ (vgl. S. 151)

Es gibt keinen Glauben, „ich bin ohne Glauben“ (S. 151)

 

Die Stadt ist fern von Gott und völlig verwaltetet. Das bedeutet, dass Gewalt und Verbrechen Freiheit ist. Er, der Protagonist, ist der Teufel, der als Wärter seine teuflische Arbeit verrichtet. Er hat nur die Wahl Opfer oder Täter zu werden. Die Entscheidung ist bestimmt durch die Leere des fehlenden Glaubens. 

 

„Eine Verwaltung hat doch gewiss anderes zu tun, als mit einem armen  Teufel  Gespräche zu führen. (S. 174)

 

Dürrenmatt lässt seinen Ich-Erzähler in die Höhle hinabsteigen. Gleichzeitig werden urplötzlich die Überlegungen des Ich-Erzählers abgebrochen als er hinabsteigt ins unterirische Labyrinth, in die Höhle. 

 

Gefangener oder Wärter. Wärter oder Gefangener. 

 

„»Er ist ein Wärter zum Teufel«“ (S. 192) und auf die Frage warum er hängt; „Weil der Schweinehund sich einbildete er sei kein Wärter, sondern ein Gefangener.“ (vgl. S. 193)

 

Egal wie die Entscheidung fällt, ein Entweichen aus der Hölle gibt es nicht.

 

Kunst, Kultur, Glaube

 

Die Stadt und Aus den Papieren eines Wärters werden zu einer Metapher eines labyrinthischen Lebens. Das Höhlengleichnis Platons wird zur Hölle. 

 

Der Wärter aus der Erzählung Aus den Papieren eines Wärters erkennt sein Schicksal vor einen Hintergrund, dass sich wie eine flammende Wand abhebt. (vgl. S. 152)

 

Kunst, Kultur, Glaube waren verloren. „Die Dichter und Musiker glichen Gespenstern aus längst untergegangen Zeiten." (S.158 f.)

 

"Zerfallene Kathedralen in denen Geistliche sich vor halbgefüllten Banken bemühten, in den leeren Raum dieser Welt, das Licht der Religion zu gießen."(vgl. S. 159)

 

Die Menschen  befinden sich in einer großen Leere. 

Wo bleibt das Paradies? Das Gute? Die Hölle auf Erden ist ohne Gegenspieler.

 

„»Der Friede kam. Aber nicht als Paradies, nicht als Zustand, der die Wünsche aller erfüllt, sondern als letzte Chance, nicht zugrunde zu gehen, als ein harter Arbeitstag […] Es ist bitter, dass die Verwaltung dies, offenbar vergeblich, immer wieder feststellen muss«. "(S. 172)

 

 

 

Friedrich Dürrenmatt

Aus den Papieren eines Wärters

Diogenes Verlag

Erschienen: 01.10.1998

 

 

 

 

 

 

 

 

Arbeit zitieren

Autorin Petra Gleibs, Januar 2023, Buchvorstellung Friedrich Dürrenmatt, Aus den Papieren eines Wärters, https://www.lesenueberall.com/aus-den-papieren-eines-w%C3%A4rters/

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