Autorin
Jennifer Saint begeisterte sich schon als Kind für die griechische Mythologie, und während ihres Studiums der Altphilologie am King's College in London hat sie ihre Liebe zu den antiken Sagen vertieft. Als Englischlehrerin versucht sie die Faszination für Geschichten aller Art und die reiche Erzähltradition seit Homer zu vermitteln. Jeder Erzähler hat die antiken Stoffe für sich neu interpretiert. Jennifer Saint stellt die weibliche Heldin in den Mittelpunkt.
Quelle: Verlag / vlb
Inhalt
Im Mittelpunkt der Tragödie steht Elektra, Tochter des mykenischen Königs Agamemnon.
Elektra bedeutet “die Strahlende”, “die Leuchtende” und “der Bernstein” (von altgriechisch “elektron” = bernsteinfarben/hell/leuchtend).
Nachdem ihre Mutter Klytämnestra ihren Ehemann ermordet hatte, schwor Elektra Rache. Zunächst lässt sie ihren kleinen Bruder Orestes ins Ausland in Sicherheit bringen. Am Hofe wird sie von Klytämnestra und Ägisth gedemütigt und schikaniert, aber gleichzeitig fürchten sich beide vor ihrem Hass. Elektra sehnt den Tag herbei, an dem der Bruder heimkehrt und den Mördern ihres Vaters rächt. Dann kommt der Tag, an der die Geschwister die Rache an der Mutter und ihrem Geliebten ins Werk umsetzen.
Sprache und Stil
Der Mythos rund um den Fluch, der das Haus der Atriden belastet, war in der Antike schon lange vor den drei Tragikern Aischylos, Sophokles und Euripides bekannt.
Elektra ist Nachkomme des Tanatlo. Einst verfluchten die Götter Tantalo und seine Sippe die Tantaliden. Der Fluch der Götter bestand darin, dass jeder Nachfahre ein Familienmitglied töten und weitere Schuld auf sich laden solle. So endet der erste Teil des mythischen Schicksals mit der Opferung Iphigenies durch Agamemnon.
Agamemnon lässt seine Tochter ermorden, weil er von der Göttin auf günstigen Wind für seinen Krieg gegen Troja hofft.
„[…] die Göttin würde sie bald mit einem günstigen Wind belohnen, der sie weit von dieser blutgetränkten Strand fortbrachte.“ (S. 112)
Jennifer Saint erzählt die Geschichte aus unterschiedlichen Ich-Perspektiven der drei Frauen Klytämnestra, Elektra und Kassandra. Mit diesen Perspektivwechseln wird die Geschichte ausführlich erzählt und beschränkt sich nicht nur auf die Sichtweise von Elektra.
Die Schicksale der drei Frauen sind durch die Macht der Götter miteinander verbunden.
Elektra fordert vehement, den Gattenmord zu rächen, und zwar von dem immer noch abwesenden Bruder Orest. Die lang ersehnte Ankunft Orests bringt für Elektra die Erlösung.
Das Thema Blut, das für Mord steht, Mord muss mit Blut geahnt werden und Blut als Verwandtschaftsverhältnis ergeben ein Bild der Blutrache in der Antike. Der Kreislauf der Blutrache, unerklärbar, aber scheinbar tief im Menschen eingeboren.
„Elektra, die hell Leuchtende“ erzählt nicht nur die Geschichte über Elektra, sondern beginnt mit der Vorgeschichte, die mit der Ermordung ihrer Schwester Iphigenie ihren Ausgang findet.
Der Roman ist in vier Kapitel aufgeteilt, die die Tragödie im historischen Zusammenhang erzählen. Im vierten Teil wird der Tod Agamemnon endlich gerächt, der Kreislauf der Gewalttaten schließt sich, und der Kreislauf des Lebens könnte endlich neu beginnen.
Elektra ist von ihrem Hass befreit.
„Ein Moment vergeht, dann spüre ich Pylades` sanfte Berührung auf meinem Rücken und wende mich ab. Ich habe genug gesehen. Die Sonne ist eine leuchtende golden Scheibe hoch oben am blauen Himmel.“ (S. 361 )
Fazit
Der Elektra-Stoff wird von Beginn an immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert. Die Bereiche Krieg und Familie verschmelzen zu einer monströsen Katastrophe, die Raum für neue Interpretationsmöglichkeiten lassen.
Der Roman „Elektra, die hell Leuchtende“ schreibt keine neue Geschichte. Jennifer Saint fasst kompakt den Inhalt der Tragödie zusammen und vermittelt auf einfache Weise den Mythos rund um den Fluch des Hauses der Atriden. Der „Mythos Elektra“ fasziniert die Menschen seit der Antike. Schriftsteller wie z. B. Hugo von Hofmannsthal und auch Goethe wurden immer inspiriert, ihre Sichtweise unter anderen Gesichtspunkten darzustellen. Die Anziehungskraft hat bis heute nicht eingebüßt.
οὐκ ἔστιν οὐδείς οἶκος ἀθλιώτερος
τῶν Τανταλείων οὐδ ̓ ἔφυ ποτ ̓ ἐκγόνων.“
(Euripides, Elektra, 1175)
„Unseliger gibt es auf Erden kein Haus als Tantalos` Kinder und Kindesstamm.“ vgl.: Euripides, Sämtliche Tragödien und Fragmente. Band III. Übersetzt von Ernst Buschor. München: Heimeran Verlag 1972, S.368/369.
Jennifer Saint
Elektra, die hell Leuchtende
Aus dem Englischen von Simone Jakob
List Verlag
Erschienen 19. Oktober 2022
Arbeit zitieren
Autorin Petra Gleibs, November 2022, Buchvorstellung Jennifer Saint, Elektra, die hell Leuchtende, https://www.lesenueberall.com/elektra-die-hell-leuchtende/
Kommentar schreiben