Stephen Crane wird am 1. November 1871 in Newark, New Jersey geboren. Er ist das neunte überlebende Kind von vierzehn, seine Eltern sind der Methodistenpfarrer Jonathan Crane und dessen Ehefrau Mary Helen Peck Crane. Bereits im Kindesalter wird sein Interesse für Literatur durch seine Schwester Agens Elisabeth, „eine Lehrerin und Verfasserin von Kurzgeschichten“ (S. 10), geweckt.
Crane studiert am Lafayette Collage und an der Syracuse University. Nach dem Tod seiner Eltern 1890 bricht er sein Studium ab und arbeitet als Journalist in New York. Er kommt mit dem Leben in den Slums der Stadt in Berührung, was ihn dazu veranlasst, darüber zu berichten. Seine Erfahrungen der Slums verarbeitet er in seinem Roman „Maggie, ein Mädchen von der Straße“. Es folgen weitere Romane, Kurzgeschichten und Gedichte. Seinen Durchbruch erzielt er mit dem Roman „Die rote Tapferkeitsmedaille.“ Der Roman schildert schonungslos die Erfahrungen eines jungen Soldaten.
„Etwa zwei Drittel seiner besten Sachen hat Crane in diesen fünfeinhalb Jahren geschrieben (von Mitte 1891 bis Ende 1896).“ (S. 89)
Crane litt an Tuberkulose und starb am 5. Juni 1900 in Badenweiler.
„Paul Auster antwortet in einem Interview auf die Frage von Zeit Online:
Mister Auster, Sie waren 15, als Sie in der Highschool zum ersten Mal ein Werk von Stephen Crane lasen, nämlich Die rote Tapferkeitsmedaille. Sie schreiben, das Buch sei für Sie "eine atemberaubende Entdeckung" gewesen,“ die mein Leben auf einen Schlag veränderte". Inwiefern?
Paul Auster: Zunächst einmal wegen der lebendigen Sprache. Ich hatte vorher noch nie einen Schriftsteller gelesen mit einem solchen Talent für sinnliche Details. Er ermöglicht es den Lesern, wirklich zu sehen und fühlen, was vor sich geht. Die rote Tapferkeitsmedaille ist ein Buch über einen Jungen, der nicht viel älter ist, als ich es damals bei der Lektüre war. Und es ist ein Buch über Angst. Die kennen wir natürlich alle. Wir können aber nur erahnen, wie es wäre, mitten in einem Bürgerkrieg zu stecken. Ich habe diese erste Begegnung als Leser mit Crane nie mehr vergessen.“
Quelle: Interview von Carmen Eller in https://www.zeit.de/kultur/literatur/2022-01/paul-auster-in-flammen-stephen-crane vom 29. Januar 2022, 11:52 Uhr, geöffnet 21. Juli 2022.
„In Flammen“ erzählt das kurze Leben und literarische Schaffen von Stephen Crane. Paul Auster schreibt nicht einfach eine Biografie, sondern es entsteht von Beginn an der Eindruck eines Romans. Der Protagonist ist Stephen Crane.
„Geboren am Tag der Toten und gestorben fünf Monate vor seinem neunundzwanzigsten Geburtstag, erlebte Stephen Crane noch fünf Monate und fünf Tage des 20. Jahrhunderts, dahingerafft von der Tuberkulose, bevor sich ihm die Gelegenheit bot, ein Automobil zu fahren oder ein Flugzeug zu sehen, sich auf große Leinwände projizierte Filme anzuschauen oder Radio zu hören, eine Gestalt aus der Welt der Pferdegespanne, ein Mensch, der die Zukunft versäumte, die viele der mit ihm Geborenen erwartete, nicht nur das Aufkommen dieser wundersamen Maschinen und Erfindungen, sondern auch die Schrecken der Epoche, nicht zuletzt die Vernichtung von Abermillionen Leben in zwei Weltkriegen.“ (S. 9)
Auster nutzt Zeitzeugen, Briefe, Cranes Romane, Novellen, Kurzgeschichten und Gedichte und Skizzen, ergänzt alles durch wenig vorhanden Fotos. Er selbst kommentiert aufgrund seiner Recherchen Begebenheiten, stellt infrage oder bestätigt.
„Alles, was über Cranes Kindheit bekannt ist, stammt von ein paar Fotos und einigen Augenzeugenberichten, die Verwandte und Freunde aufgeschrieben haben.“ (S. 37)
Auster porträtiert Crane als ein Getriebener, der sein Leben unter Hochdruck lebt, als ob er ahnt, dass seine Zeit bemessen ist.
Stephen Crane liebt Hunde, Pferde, Kinder, Zigaretten, Bier und Frauen, insbesondere Lily, aber erfolglos. Cranes intensive Milieustudie und die Nähe zur Reportage zusammen mit seiner Art zu Schreiben in Stilbrüchen und perfekten Dialogen, sind in der damaligen Zeit einzigartig.
Chronologisch verwebt Auster Cranes Texte und vorhandene Dokumente über sein Leben ineinander. Ausführlich beschreibt er die Entstehungsgeschichte „Maggie, ein Mädchen von der Straße“ und die damit verbundenen Schwierigkeiten, diesen Roman zu veröffentlichen, bis er doch ein Erfolg wird.
Text für Text arbeitet sich Auster akribisch vor und nähert sich gleichzeitig der Person Stephen Crane. Die Biografie zeigt die verschlungenen Wege des Schriftstellers, der oftmals in „Flammen“ stand.
Paul Auster gelingt, mit dieser Strategie ein kurzes, junges Schriftstellerleben zu zeichnen, das den Eindruck erweckt, als wäre Cranes Schaffen durch ein langes Leben entstanden. Bereits zu Lebzeiten war Crane ein Star mit Legendenstatus. Doch sein früher Tod ließ ihn in Vergessenheit geraten.
Die literarische Biografie ist in fünf Kapitel, die wiederum in Unterkapitel aufgeteilt sind. Eine Danksagung, Literatur- und Personenregister und Werkregister vermitteln zusätzlich umfangreich Informationen.
Warum hat Paul Auster das Leben Cranes aufgeschrieben? Vielleicht hat er sich einen Lebenstraum erfüllt, er war 15, als er das erste Mal mit Cranes Literatur in Berührung kam. Seitdem hat ihn Stephen Crane nicht mehr losgelassen. (s. Interview) Wie soll der/die Leser*in mit der literarischen Biografie „In Flammen“ umgehen? Erst einen Roman von Crane lesen oder sofort „In Flammen“ eintauchen? Immerhin sind 1200 Seiten zu bewältigen.
Die erste ausführliche Geschichte beginnt mit „Maggie, ein Mädchen von der Straße“. An dieser Stelle könnte man eine Pause einlegen, den Roman „Maggie, ein Mädchen von der Straße“ lesen und dann weiter „In Flammen“ fortfahren.
Vielleicht!
„Aus Carnes Hare -Biografie: Stephen Cranes‘ kam zurück. Der Sturkopf war immer unverletzt, immer gleichgültig für Gefahr, immer noch in diesem teuflischen weißen Regenmantel.“ (S. 979)
Paul Auster
In Flammen
Leben und Werk von Stephen Crane
Übersetzt von: Werner Schmitz
Verlag: Rowohlt Buchverlag
Erscheinungstermin: 25.01.2022
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Autorin Petra Gleibs, Juli 2022, Buchvorstellung Paul Auster, In Flammen, https://www.lesenueberall.com/in-flammen/
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