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Arminuta

Autorin

Donatella di Pietrantonio wurde in den Abruzzen geboren und lebt heute in der Nähe von Pescara. Ihre Romane Meine Mutter ist ein Fluss (2013) und Bella mia (2015) wurden mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet. Mit Arminuta (2018) ist ihr der internationale Durchbruch gelungen.

Quelle: Verlag Antje Kunstmann GmbH

 

Inhalt

Im Dorf nennen die Dorfbewohner sie nur „Arminuta, die Zurückgekommene". (S. 92)

 

Eine Geschichte über Mütter, Töchter und Schwestern im Italien der 70er Jahre. Bis weit ins zwan­zigste Jahrhun­dert war es nicht unüblich in vielköpfigen Familien auf dem Land ein Neuge­bore­nes im Ver­wandten­kreis abzu­geben, wenn man es selbst nicht würde groß­ziehen können. 

L’Arminuta, im Dialekt „Die Zurückgekommene“ ist ein solches Kind. 

Sie stammt aus einem kleinen, ärmlichen Dorf in den Abruzzen und steht einer anderen Frau gegenüber, die sie nicht kennt, aber ihre Mutter ist.

 

Arminuta ist dreizehn, sensibel, intelligent und aufgeschlossen. Sie wächst wohlbe­hütet als Einzelkind auf. Ihre Eltern sind fürsorg­lich und fördern sie. Die Familie wohnt in einem gepflegten kleinen Haus direkt am Meer.

Plötzlich ändert sich das Leben für Arminuta. Ihr Vater, ein Cara­biniere, fährt sie hinauf zu einem Bergdorf in den Abruzzen. Ohne weitere Erklärungen gibt er sie bei einer ihr fremden Familie ab, lediglich mit der Begründung, das sei ihre leibliche Familie. Ihre echten Eltern wollten sie wiederhaben. 

Trotz aller Proteste, lässt ihr Vater sich nicht umstimmen und sie bleibt alleine zurück.

 

„Als Dreizehnjährige kannte ich meine Mutter nicht mehr.“ Von einem Tag auf den anderen hat sie keine Mutter, keine Familie, kein Heim mehr.“ (S.9)

 

Der Abschied von ihrer Mutter, bei der sie bisher gelebt hatte, war bereits lieblos und die Ankunft in der neuen Familie reißt ihr noch mehr den Boden unter den Füßen weg. Die Verhältnisse sind prekär, die Eltern überfordert und abweisend, die Geschwister chaotisch. Armut, Verwahrlosung, Perspektivlosigkeit prägen diese Familie, Konflikte werden mit Gewalt gelöst. Keiner scheint sich zu freuen, keiner scheint auf sie gewartet zu haben. Nicht einmal an ein Bett für sie wurde gedacht. Sie ist verzweifelt und fühlt sich zum zweiten Mal abgeschoben, aber sie nimmt es dennoch hin und versucht sich irgendwie einzuleben in einer Welt mit gleich­zeitig zwei Mütter, zwei Familien, zwei Heime. 

 

„Es gab keinen Grund mehr, auf der Welt zu sein. Leise wiederholte ich hundertmal das Wort Mama, bis es keinen Sinn mehr hatte und nur noch Lippengymnastik war. Mit zwei lebenden Müttern wurde ich zum Waisenkind. Die eine hatte mich noch mit ihrer Milch auf der Zunge weggegeben, die andere hatte mich mit dreizehn zurückgebracht. Ich war die Tochter von Trennungen, falschen oder verschwiegenen Verwandten, Entfernungen. Ich wusste nicht mehr, woher ich stammte. Im Grunde genommen weiß ich es bis heute nicht.“ (S. 147)

 

Im Dorf nennen die Dorfbewohner sie nur Arminuta, die Zurückgekommene. Arminuta will wissen, warum ihr Leben sich so abrupt ändern musste. Warum hat man sie zu ihren leiblichen Eltern zurückgeschickt? Wer ist ihre Mutter? 

 

Sprache und Stil

 

„Arminuta“ ist ein schlichter, stiller Roman. Der Handlungsverlauf durchleuchtet viele Facetten des Lebens. 

 

Warum hat man sie zu ihren leiblichen Eltern zurückgeschickt? 

 

Wer ist ihre Mutter? Die, die sie geboren hat, oder die, bei der sie aufgewachsen ist? Gibt es überall eine Chancengleichheit?

 

Wohin gehört sie jetzt? Welche sind ihre Wurzeln? Zu wem kann sie noch Vertrauen fassen? 

 

Wer ist ihre Mutter, die sie schon als hilfloses Baby wegge­geben hat, oder die andere, die sie wie einen lästigen Gegenstand aus der Geborgen­heit herausreißt und zurück­schickt.

Woran kann sie sich klammern? An die Hoffnung einmal zu Adalgisa zurück­kehren zu dürfen?

 

Eine ungewöhnliche Familiengeschichte, die eine Heldin benennt, die ihren Platz im Leben sucht.

Donatella di Pietrantonio lässt Arminuta ihre Geschichte als Erwachsene aus der Rückschau erzählen. Die Handlung verläuft chronologisch. Die Sprache ist einfach und direkt und auch  eindringlich und sensibel, den Charakteren angepasst.

 

Fazit

Donatella Di Pietrantonio zeichnet eindrucksvoll eine Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt Arminuta, ein Mädchen, in der Pubertät steht. Sie muss ihre Wurzeln neu entdecken, als sie aus dem Wohlstand kommend ohne Erklärungen in bittere Armut auf dem Land zurückgelassen wird. 

Eine aufwühlende Geschichte von einem Mädchen, das zu früh erwachsen werden musste.

 

Lesenswert

 

Arminuta

Di Pietrantonio, Donatella

Verlag Antje Kunstmann GmbH

September 2018

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