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Die Stimme meiner Mutter

Autorin

Eva Baronsky

 

Inhalt

Maria Callas, eigentlich Maria Anna Sofia Cecilia Kalogeropoulou, war eine berühmte amerikanische Sängerin griechischer Abstammung.

Sie war eine der bedeutendsten Sopranistinnen des 20. Jahrhunderts, eine gefeierte Opernsängerin, als sie 1957 zum ersten Mal den milliardenschweren Reeder Aristoteles Onassis und seine Frau in Venedig bei einem zwanglosen Frühstück an Bord seiner Luxusjacht Christina traf. 

Zwei Jahre später ist Maria Callas gesundheitlich angeschlagen. Ihre unvergleichliche Stimme versagt teilweise in entscheidenden Momenten, was das Publikum und die Medien ungnädig aufnehmen. Hinzu kommt ihre unglückliche Ehe mit dem um viele Jahre älteren Giovanni Battista Meneghini, einem Unternehmer und Industriellen, der sie fördert und zugleich ihr Manager ist. 

Im Sommer 1959 nimmt sie eine weitere Einladung von Aristoteles Onassis an. Gemeinsam mit ihrem Mann lädt dieser sie zu einer dreiwöchigen Mittelmeerkreuzfahrt auf seiner Luxusjacht Christina ein. Aber nicht nur sie sind an Bord, zur illustren Gesellschaft gehören auch Winston Churchill und seine Gattin Clementine. Die Schiffspassage von Monte Carlo nach Istanbul verändert das Leben von Maria Callas und Skandale bleiben nicht aus. Die High Society feiert ausschweifende Partys. Niemand weiß bis heute, was dort genau geschah.

War Maria schwanger? Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive ihres fiktiven, ungeborenen Sohnes Omero.

 

Sprache und Stil

Der Roman beginnt mit der Abreise. Maria Callas und Meneghini waren zu Hause und trafen Reisevorbereitungen. Es war nur ein Augenblick, in dem sich alles für Maria Callas ändert.

 

„Der Moment, in dem das Leben meiner Mutter sich radikal veränderte und mein Leben denkbar wurde, war der, als sie von ihrem Teller aufsah und in eine Fratze blickte. Nicht dass Meneghinis Visage an diesem Abend anders ausgesehen hätte als sonst – außer dass er vielleicht noch dümmlicher dreinschaute –, dennoch schien ihr der Anblick so unfassbar, dass sie glaubte, eine Halluzination zu erleben, eine groteske Offenbarung von etwas Unsichtbarem.“ (S. 9)

 

Diese Situation gibt einen Einblick in eine Ehe, sofern diese es überhaupt war. Maria hadert mit sich, empfindet ihren Mann als Ballast und kann ihn nur noch schwer ertragen. Er ist gerne in ihrer Gesellschaft, betrachtet sie jedoch als schmückendes Beiwerk. Doch nicht er steht im Mittelpunkt, sondern sie, die Sopranistin, was für ihn nur schwer zu verstehen ist. Sie ist sehr verletzlich und auch introvertiert. Maria Callas sieht ihre Rolle in ihrem Leben nicht nicht nur als Operndiva, sondern sehnt sich danach als Mensch und als Frau wahrgenommen zu werden.

 

Eva Baronsky nutzt für die Sprache einen personalen Erzähler, ein ungeborenes Kind, das noch tief im Mutterleib verankert ist. Diese geniale Perspektive eines fiktiven Sohnes von Maria Callas gewährt intime Einblicke in die aufflammende Affäre zwischen ihr und Onassis. 

Das Stilmittel, der Sohn als Metapher für die Erzählstimme, gewährt Einblick in die Tiefe der Seele von Maria Callas, nicht nur in das Leben der Operndiva, des Weltstars, sondern in das Verborgene von Maria Callas als Frau mit ihren Sorgen und Sehnsüchten. 

 

Maria Callas ist fasziniert von dem durchsetzungsstarken und attraktiven Mann, der wie sie mit griechischen Wurzeln verbunden ist. Onassis zeigt wenig Interesse und Verständnis für die Oper.

 

„Sie hätte ihm etwas über Hingabe erzählen können, über die Herausforderung, schwierigste Partien mit größter Leichtigkeit zu singen und gleichzeitig eine Rolle zu verkörpern; über Verantwortung einem Werk und einem Komponisten gegenüber, über physische Kraft, die das Singen und die Kontrolle über die Stimme erforderten, und manchmal auch das Tragen der Kostüme. Aber sie lächelte nur milde und schwieg, denn all das betraf die Callas. Meine Mutter hatte an diesem Abend nur den Wunsch, eine Frau zu sein.“ (S.81/82)

 

Beide haben ihre jeweiligen Ehepartner an Bord und auch weiteren Passagiere entgeht diese Entwicklung ihrer grenzenlosen Gefühle füreinander nicht. Doch kann ihre Liebesbeziehung Bestand haben? Sie stehen im Licht der Öffentlichkeit, werden von Paparazzi ständig beobachtet. Auch ihre Erwartungen an eine gemeinsame Zukunft könnten unterschiedlicher nicht sein.

 

„Die Kabine meiner Mutter war besonders geräumig und nach der Insel Ithaka benannt. Mein Vater rühmte sich gern damit, welche Berühmtheiten schon darin geschlafen hatten. Eine Aufzählung, die meine Mutter nicht stolz, sondern eher ein bisschen traurig machte, ohne dass sie hätte sagen können, warum. Ihre Seele wäre leichter davongekommen, wenn er ihr eine nur für sie bestimmte Kabine in seinem Leben eingerichtet hätte, (…)“ (S.100)

 

Eva Baronsky formuliert in einer bildhaften Sprache im Wechsel mit Dialogen. Beides zusammen und die Innenansicht der Figuren durch die Erzählstimme des ungeborenen Sohn von Maria Callas tauchen in eine Atmosphäre einer längst vergangenen glitzernden Welt ein. Die Sommeratmosphäre auf hoher See, strahlende Sonne, flirrende Hitze, verbunden mit erotischem Knistern und Champagner zum Frühstück wird brillant eingefangen, mit einer zusätzlichen Melange aus Herz uns Schmerz. 

Highlife im Jetset mit unterschiedlichen Charakteren vervollständigen das Bild. Menghini, der sich hintergangen fühlt und nur schwer seine Niederlage ertragen kann, steht im Kontrast zu dem Zigarre rauchenden Winston Churchill. 

Churchill versteht kaum, warum Onassis seine Frau verlassen will. Er käme nie auf die Idee, seine „Clemmie“ zu verlassen. 

 

"Er atmete tief ein. Vor ihm tauchte die Sonne ins Wasser, und die Geschwindigkeit, mit der sie das tat, verblüffte ihn jedes Mal. Alles war glutrot. In ein paar Momenten würde alles blau werden, und er bedauerte, dass es nicht möglich war, beide Zustände in einem Bild zu vereinen. Er räusperte sich: 'Ich habe Hunger', sagte er zu Ari." (S. 239)

 

Die Zeit nach dieser Kreuzfahrt wird überschattet von persönlichen Schicksalsschlägen bei Onassis.

 

Onassis verlässt Maria, um eine andere zu heiraten. Ihre Liebesgeschichte endet in dramatischen Verwicklungen, die Dimensionen einer griechischen Tragödie erreichen.

 

Maria Callas bleibt einsam. 

 

„Natürlich wünschte meine Mutter sich nichts sehnlicher, als dass mein Vater bei ihr wäre.“ (S. 341)

 

Das Cover zeigt das Porträt einer nachdenklichen Maria Callas im Graphic Novel Stil. 

 

Fazit

Maria Callas hat einen Kultstatus errungen. Lobeshymnen "Die Göttliche", "la Divina", "Primadonna assoluta“ spiegeln die große Diva der Opernwelt des 20. Jahrhunderts wider.

 

Doch sie überdecken das Innere von Maria Callas. Nach außen war bei ihr alles exzessiv. Sie kämpfte mit ihrem Übergewicht und zog dabei viel zu früh ihre Stimme in Mitleidenschaft. Sie heiratet nicht aus Leidenschaft. Ihre große Liebe zu dem griechischen Milliardär Aristoteles Onassis endet in einem Desaster. 

Eva Baronsky fängt drei Wochen im Leben von Maria Callas ein, die das Leben der Callas verändern. Die ungewöhnliche Erzählstimme ihres ungeborenen Sohnes zeigt ihre verletzliche Seele und schafft eine intime Nähe zur Maria, nicht zur Callas, der Operndiva. 

 

„Nur die Stimme meiner Mutter überlebte alles.“ (S. 395)

 

 

 

 

 

 

 

Eva Baronsky

Die Stimme meiner Mutter

Ecco Verlag, 2021

 

 

Arbeit zitieren

Autorin Petra Gleibs, Juni 2022, Buchvorstellung Stefanie H. Martin https://www.lesenueberall.com/2022/06/08/die-stimme-meiner-mutter/

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