Autor
Benedict Wells
Der Roman ist kein packender Thriller oder eine aufregende Liebesgeschichte, sondern einfach nur eine Geschichte, die einerseits von Hoffnung und andererseits von Schwermut erzählt.
Benedict Wells beschreibt in einer beeindruckenden und tiefgründigen Art und Weise wie drei Geschwister, Liz, Marty und Jules, mit dem Verlust der Eltern in ihrer frühen Jugend umgehen, wie sich entfremden und wieder zueinander finden.
Rück mit dem Stuhl heran
Bis an den Rand des Abgrunds
Dann erzähl ich Dir meine Geschichte.
(F. Scott Fitzgerald)
Dieses Zitat ist dem Roman vorangestellt und ist gewissermaßen auch als Aufforderung an den Leser zu verstehen. Denn man muss bereit sein, sich ganz dicht an den Rand des Abgrunds zu begeben, um der Geschichte zu folgen. Manchmal sogar noch ein wenig über den Rand sich hinaus trauen.
Inhalt
Jules und seine Geschwister Marty und Liz sind grundverschieden, doch ein tragisches Ereignis prägt alle drei: Behütet aufgewachsen, haben sie als Kinder ihre Eltern durch einen Unfall verloren. Obwohl sie auf dasselbe Internat kommen, geht jeder seinen eigenen Weg, sie werden sich fremd und verlieren einander aus den Augen. Vor allem der einst so selbstbewusste Jules zieht sich immer mehr in seine Traumwelten zurück. Nur mit der geheimnisvollen Alva schließt er Freundschaft, doch erst Jahre später wird er begreifen, was sie ihm bedeutet – und was sie ihm immer verschwiegen hat. Als Erwachsener begegnet er Alva wieder. Es sieht so aus, als könnten sie die verlorene Zeit zurückgewinnen. Doch dann holt sie die Vergangenheit wieder ein.
Stil und Sprache
Das Geschehen wird von Jules rückblickend und chronologisch auf zwei Zeitachsen erzählt: Die Gegenwart 2014 und die Vergangenheit 1980–2014. Schauplätze sind das fiktive südfranzösische Dorf Berdillac, München, Berlin und das Dorf Eigenthal in der Schweiz.
„Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.“
Die Erzählung beginnt am Ende, in der Gegenwart im September 2014. „In diesem Roman steht nicht die Geschichte in dem Vordergrund, sondern die Figuren und zwischen den Zeilen das Gefühl.“ (Zitat Benedict Wells)
Wells lässt das Entscheidende zwischen den Zeilen stattfinden, wodurch eine eigentümliche Spannung entsteht. Genau dadurch gelingt es ihm, eine Geschichte mit einer Zeitspanne über vierunddreißig Jahre entstehen zu lassen. Ohne Hektik wird die Handlung vorangetrieben. Es bleibt Platz für die Beschreibung der Charaktere in ihrer Entwicklung. Wells nimmt sich Zeit ihre Eigenheiten, ihre Entwicklung und auch die Veränderung zueinander zu aufzuzeigen.
Er nutzt dafür eine schlichte Sprache, um die Handlung in den Vordergrund zu rücken.
Alle wichtigen Personen sind durch traumatische Erfahrungen in ihrer Kindheit belastet: Jules, Marty und Liz leiden unter dem Tod der Eltern. Ihr Vater Stéphane Moreau hat mit Gewalterfahrungen und dem Tod des Bruders Eric zu tun. Alva kann das ungeklärte Verschwinden ihrer Schwester Josephine nicht verwinden. Diese Leidenserfahrung setzt sich für die Zwillinge von Jules und Alva, Luise und Vincent, fort, da auch sie die Mutter früh verlieren.
Ebenso wie die Erwachsenen nach lebensverändernden Einschnitten verändern die Zwillinge Luise und Vincent ihr Verhalten, als ihre Mutter Alva krank wird.
Es gibt Analogien und Ähnlichkeiten: Vater Stéphane, Jules und Vincent müssen Angst und Unsicherheit überwinden. Es scheint in dieser Hinsicht eine charakterliche Ähnlichkeit zwischen Vater, Sohn und Enkelsohn zu bestehen. Liz und ihre Mutter Magdalena zeichnen der gleiche Lebenshunger und das Verlangen nach Männern aus.
Elena ist durch die Kinderlosigkeit beeinträchtigt. Sie überwindet durch die ‚Ersatzkinder‘ Luise und Vincent ihr Leid.
Die Grundstimmung des Romans erscheint immer als sehr traurig, melancholisch.
„Du allein trägst die Verantwortung für dich und dein Leben. Und wenn du nur tust, was du immer getan hast, wirst du auch nur bekommen, was du immer bekommen hast."
Fazit
Benedict Wells schreibt über die Liebe, über eine verlorene Kindheit und das Erwachsenwerden. Seine Themen handeln von Schicksalsschlägen, die auf traurige Weise zeigen, dass das Leben kein "Nullsummenspiel" ist. Garantie für Gerechtigkeit und Anspruch auf Glück gibt es nicht.
„Das Leben ist kein Nullsummenspiel. Es schuldet einem nichts, und die Dinge passieren, wie sie passieren. Manchmal gerecht, so dass alles einen Sinn ergibt, manchmal so ungerecht, dass man an allem zweifelt.“
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